Ein Kuhfladen ist nur Mist? Keinesfalls! Mehr als 200 Insektenarten leben auf und in diesem besonderen Biotop. Von den 33 000 bei uns bekannten Arten sind das zwar vergleichweise wenige, neben der bloßen Artenzahl ist es aber vor allem die Menge an Insektenbiomasse, die beeindruckend ist. So kann ein einziges Weiderind mit seinem Dung 100 kg Fliegen und Käfer versorgen (Nickel, 2019).
Zugegebernermaßen es ist nicht gerade einfach sie heutzutage zu finden, aber wer schon einmal über eine beweidete Wiese spaziert ist, weiß es. Eine Weide ist übersät mit den dunklen Hinterlassenschaften der grasenden Vierbeiner. Ein Rind produziert 10 Tonnen pro Jahr. Die 100 kg Insekten, die davon leben, ernähren ihrerseits 10kg und mehr Wirbeltiere, z.B. 125 Stare oder 200 Grasfrösche (Nickel, 2019).
Auch für zahlreiche Reptilien, Igel, Fledermäuse und andere Wirbeltiere bedeutet das einen gedeckten Tisch. Insekten nehmen eine Schlüsselstellung im Nahrungsnetz ein, da die Existenz vieler anderer Tiere von ihnen abhängt.
Ein Kuhfladen besteht aus Wasser, unzersetzten Pflanzenfasern und Mikroorganismen, die aus dem Verdauungstrakt der Wiederkäuer stammen. Auf dem noch warmen Fladen finden sich schon schnell die ersten Besucher ein. Es handelt sich um Fliegen. Vor allem Stubenfliege, Schmeiß- oder Dungfliege freuen sich über den neuen Lebensraum. Wenn die Oberfläche bereits angetrocknet ist, nähern sich die nächsten Bewohner. Es handelt sich um Käfer, die sich ins Innere bohren. Manche Insekten und ihre Larven leben direkt vom Kuhfladen, andere nutzen die Erhöhung als Ansitz oder machen sich über andere Fladenbewohner her. Auch Pilze und Mikroorganismen helfen bei der weiteren Zersetzung der Pflanzenreste. Von unten beteiligen sich außerdem Tausendfüßler, Asseln, Milben, Springschwänze und Regenwürmer. Koprophagen nennt man solche Lebewesen, die Exkremente fressen. So wird aus dem Haufen Mist langsam wieder ein Haufen Erde und ein Kreislauf schließt sich.
Anders hingegen bei unserer heute gängigen Tierhaltung. Die Tiere verbringen ihr Leben im Stall und ihre Hinterlassenschaften kommen zwar auf die Wiese zurück, aber meist nicht in Form von Kuhfladen, sondern in Form von Güllegaben. Andere Tiere kommen zwar zu ihrem Weidegang, hinterlassen aber Haufen, die für das Insektenleben ganz und gar nicht förderlich sind. So fanden Forscher in kaum abgebauten Kuhfladen Rückstände von Medikamenten, die den Kühen offensichtlich vorbeugend gegen Parasiten verabreicht wurden und die eine lange Wirkung hatten. Im Fladen von konventionell gehaltenen Tiere fanden sich nur halb so viele Insekten wie in jenen von Tieren, die auf biologisch bewirtschafteten oder natürlichen Weiden standen (Grefe, 2019).
Unsere Weiderinder hinterlassen also jedes Jahr kleine Inseln der Vielfalt auf den Weideflächen.
Quellen:
Grefe, Christiane: Fladen des Lebens, in: DIE ZEIT vom 11.Juli 2019, S.31.
Nickel, Herbert: „Wirkungen naturnaher Beweidung auf die Fauna“, Verein Weidelandschaften e.V., 15. April 2020, http://weidelandschaften.org/pdf/2019/5_nickel_hersbruck_2019_05_23.pdf